Migräne bei Kindern Migräne bei Kindern

Migräne bei Kindern

Mit den Schmerzen leben lernen

Eltern fühlen sich oft hilflos, wenn ihr Kind regelmäßige Migräne-Anfälle hat. Doch das muss nicht sein. Wer die Krankheit einmal verstanden und akzeptiert hat, kann gut damit leben lernen und muss keine Angst vor der nächsten Kopfschmerzattacke haben.

Was sagt die Expertin?

Maite Hartwig Maite Hartwig

„Eine Migräne ist nicht gefährlich und eine Erkrankung, die man als Familie meistens gut in den Griff bekommen kann“, sagt Dr. Maite Hartwig, Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin am Zentrum für Kinderschmerztherapie Delfin-Kids in Hamburg.

Deshalb versucht sie in ihrer Praxis, den Eltern – und natürlich auch den Kindern – die Angst und damit der Krankheit ihren Schrecken zu nehmen: „Wer Migräne versteht, kann im Alltag auch besser damit umgehen.“

Migräne zählt zu den primären Kopfschmerzen, denen keine andere körperliche Ursache zugrunde liegt. „Bei Migräne-Patienten im Kindes- ebenso wie im Erwachsenenalter sind die Blutwerte ebenso wie eine ausführliche körperliche Untersuchung unauffällig“, sagt Hartwig. Bei ihnen sei „eigentlich alles in Ordnung“ – aber die regelmäßig und plötzlich wiederkehrenden starken Kopfschmerzen sind trotzdem da.

Kennzeichen einer Migräne: Ruhebedürfnis und Schmerzanstieg unter Belastung

„Anders als ein Spannungskopfschmerz führt eine Migräne zu einem kompletten Knock-Out der Kinder und Jugendlichen“, beschreibt Hartwig das Krankheitsbild. Typisch sei ein rascher Beginn. So sei es durchaus möglich, dass Eltern um 8 Uhr ein fittes Kind in den Kindergarten oder in die Schule bringen, ehe um 10 Uhr ein Anruf komme, dass das Kind extreme Kopfschmerzen habe. Typische Begleitsymptome der Migräne sind nicht nur Kopfschmerzen, sondern auch Übelkeit bis hin zu Erbrechen sowie ein starkes Ruhe- bzw. Schlafbedürfnis. Nach dem Schlafen (oder beim Aufwachen) sei oftmals alles wieder vorbei. „Ein Kennzeichen der Migräne ist, dass der Schmerz bei körperlicher Belastung stärker wird“, erklärt Hartwig. Das sei bei Spannungskopfschmerzen anders. Hier lindere Bewegung sogar häufig die Schmerzen.

Migräne-Patienten haben eine genetische Veranlagung

Die genauen Ursachen einer Migräne sind bis heute nicht bekannt, aber klar ist: Wer zu Migräne neigt, hat diese Veranlagung häufig geerbt, also genetisch erworben. „Wenn die Tante oder die Mutter bereits Migräne-Patientin sind, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass auch das Kind an Migräne leidet“, sagt die Kinder- und Jugendmedizinerin. Insgesamt beobachtet sie steigende Zahlen an Migräne-Patienten im Kinder- und Jugendalter. Mädchen sind häufiger betroffen als Jungen. „Bei Jungen besteht bisweilen die Chance, dass sich die Migräne-Neigung in der Pubertät auswächst“, sagt Hartwig.

Hohe Anforderungen und Termindruck können Auslöser einer Migräne sein

Die meisten Kinder, die in ihre Praxis kommen, sind im Grundschulalter. Denn das sei in der Regel die Phase im Leben der Kinder, in der die Anforderungen und auch der Druck auf jeden Einzelnen steigen. „Was wir von jüngeren Kindern im Kindergartenalter aber durchaus auch kennen, ist die sogenannte Bauch-Migräne“, sagt Hartwig. Diese äußere sich vor allem durch mehrmaliges Erbrechen. Was viele Eltern vielleicht zunächst als einen Magen-Darm-Infekt betrachten, könne im Nachhinein oftmals umgedeutet werden.

Im akuten Fall die Schmerzen verkürzen und erleichtern

Was können Eltern nun für ihre jungen Migräne-Patienten tun? „Im akuten Fall sollten Sie versuchen, die Schmerzen möglichst zu verkürzen und zu erleichtern“, rät Hartwig. Mittel der Wahl bei Kindern zur Schmerztherapie sei der Wirkstoff Ibuprofen. Neben der medikamentösen Therapie sei dann vor allem Schlaf wichtig.

Migräne lässt sich nicht vermeiden, aber die Häufigkeit reduzieren

Im Hinblick auf eine vorbeugende Therapie sei es wichtig, dass die Eltern nicht versuchen sollten, Migräne-Auslöser zu vermeiden, also keine Aktivitäten mehr zu planen oder große Anstrengungen oder Anspannungen von vornherein zu blockieren. „Eine Migräne lässt sich prinzipiell nicht vermeiden“, sagt Hartwig. Aber die Häufigkeit der Attacken lasse sich reduzieren. Deshalb ist es ihr wichtig, dass die Eltern in ihrer Praxis wissen, wie sie eine Migräne-Attacke gut managen können. Mit den richtigen Informationen können diese Eltern die Krankheit dann gut verstehen und auch zuversichtlich der nächsten Attacke entgegenblicken, weil sie wissen: Wir bekommen das in den Griff. Diese Haltung der Eltern allein nehme schon gewaltig Druck von den Kindern – und sei so auch schon ein großer Teil der Prävention.

Prävention und Unterstützungsangebote nehmen der Migräne ihren Schrecken

Hinzu kommen vor allem nicht-medikamentöse Aspekte wie etwa ausreichend trinken und schlafen, regelmäßig essen sowie Bewegung und nicht-verplante Zeit. „Die Kinder sollten mindestens eine Stunde am Tag zur freien Verfügung haben“, sagt Hartwig. In schweren Fällen gebe es auch über einen begrenzten Zeitraum die Möglichkeit, Medikamente zu geben. Häufig beobachtet Hartwig auch, dass die Kopfschmerzen mit anderen Krankheitsbildern wie etwa ADHS einhergehen. „Hier ist es dann wichtig, alle Fachdisziplinen mit einzubeziehen und gemeinsam nach Lösungen zu suchen“, sagt Hartwig. Erster Ansprechpartner sei jedoch immer zunächst der Kinderarzt. Wer sich mit der Diagnose Migräne alleine fühlt und gern mehr Unterstützung hätte, kann sich an Selbsthilfegruppen wie die Migräne-Liga wenden, aber auch an Schmerztherapeuten oder Fachkliniken. “Wichtig ist alles, was hilft, den Schmerz und die Hintergründe zu verstehen”, sagt Hartwig. Denn so könnten sich alle Familienmitglieder informieren. Die Schmerztherapeutin rät auch dazu, Lehrer, Erzieher oder Trainer der Patienten mit einzubeziehen: “So helfen alle zusammen der Krankheit Migräne ihren Schrecken zu nehmen.”

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