#24
Junge Frau, erkältet, liegt auf der Couch. Thema Migräne Junge Frau, erkältet, putzt sich die Nase. Thema Migräne

Folge 24 – Erkältungsbedingte Migräne

Husten, Schnupfen und Kopfschmerzen

Frohes Neues und herzlich willkommen in der Grippesaison! Unser Immunsystem läuft im Winter oft bloß auf Sparflamme. Hinzu kommt, dass die Schleimhäute unserer oberen Atemwege aufgrund der trockenen Heizungsluft zu dieser Jahreszeit anfälliger für Infektionen sind. Und zwar nicht nur für Covid- und Influenzaviren, auch die gute alte Erkältung kann zu einem vorübergehenden Knockout führen. Umso unangenehmer, wenn zu den üblichen Symptomen dann auch noch eine Migräne hinzukommt. Für viele Betroffene ist diese besonders schmerzhafte Kombination leider keine Seltenheit. Warum das keine Überraschung ist und wieso eine Erkältungsmigräne für viele Erkrankte der Endgegner ist, schildert uns Diana diesmal direkt von der Schnupfenfront.

"Rotz im Kopf"

Ich bin ganz ehrlich, meinen Start ins neue Jahr habe ich mir anders vorgestellt. Deshalb auch eine kurze Content-Warnung: Es folgt ein schwerer Anfall von Selbstmitleid. Im Silvesterurlaub ging es schleichend los. Ein Niesen hier, ein Husten da – nichts Wildes, aber als der Abreisetag gekommen war, fühlte ich mich zunehmend krank. Okay, dachte ich, das wird schon. Doch als am Montag drauf der Wecker klingelte, war an Arbeit nicht zu denken. Meine Ohren waren zu, meine Nase verstopft und von den Nebenhöhlen ging ein unangenehmer Druck aus, der sich in meinem gesamten Gesicht ausbreitete. Dicke Mandeln und bölkender Husten rundeten das Gesamtpaket ab. Aber hey, inzwischen muss man ja schon froh sein, solange der Coronatest negativ bleibt. Wahrscheinlich ist das auch der Grund dafür gewesen, dass ich die Wucht des grippalen Infekts anfangs komplett unterschätzt habe. Denn obwohl es „nur“ eine Erkältung ist, die mich seit einer Woche zwischen Bett und Sofa pendeln lässt, bin ich mittlerweile maximal erschöpft. Mein gesamter Nasen- und Rachenraum ist wund. Der Druck in meinem Kopf lässt mich vormittags torkeln und nachmittags nach Schmerztabletten greifen. Kein Wunder also, dass sich meine Stimmung seit Tagen proportional zu meiner Konzentrationsfähigkeit verhält – und gegen Null tendiert. Aber schlimmer geht ja bekanntlich immer und so ließ auch die erste Erkältungsmigräne nicht lange auf sich warten. Erst dachte ich, dass es sich um die üblichen „Rotz im Kopf“-Schmerzen handelt, doch als sie sich nach rund 30 Minuten hinter meinem rechten Auge manifestierten, war klar: Jetzt geht’s erst richtig los. Dumm nur, dass in diesem Stadium jeder Atemzug die Schmerzintensität befeuert. Es ist daher nicht hilfreich, sich bei einer aufkommenden Migräne im Fünf-Minuten-Takt die Nase zu putzen zu müssen.

Egal, ob ich mit Magen-Darm, Corona oder Grippe flachliege – dauert der Erschöpfungszustand länger als drei bis vier Tage an, kriege ich als Bonus eine Migräne gratis dazu.Was war zuerst da: Henne oder Ei, Erkältung oder Migräne?

Was war zuerst da: Henne oder Ei, Erkältung oder Migräne?

All das erinnerte mich an Zeiten, in denen ich mich bei jeder Migräne zigmal übergeben musste. Dieser Kontrollverlust, wenn der Körper nach einer Handlung verlangt, die zwangsläufig zu unerträglichen Kopfschmerzen führen wird, ist zermürbend. Du kannst es schließlich nicht abwenden, zum Eimer zu greifen, wenn die Übelkeit zu groß wird. Genauso wenig kannst du aufhören, dir die Nase zu putzen, wenn du krank bist und der Schnodder bereits aufs Kissen tropft. So schwellen die pulsierenden Kopfschmerzen mit jedem weiteren Schnäuzen zu unerträglichen Stichen an und es ist nahezu unmöglich, in eine Ruhephase zu gelangen, in der die Medikamente ihren Job machen können. In solchen Momenten stellt sich vielen Betroffenen die Frage, ob sie die Migräne auch ohne Erkältung bekommen hätten. Mir ist jedoch irgendwann aufgefallen, dass sich diese unglücklichen Zufälle bei mir häufen. Egal, ob ich mit Magen-Darm, Corona oder Grippe flachliege – dauert der Erschöpfungszustand länger als drei bis vier Tage an, kriege ich als Bonus eine Migräneattacke gratis dazu. Und damit bin ich kein Einzelfall, weil Migräne durch kräftezehrende Infektionskrankheiten aktiv getriggert werden kann. Als betroffene Person ist es im ersten Moment oft nicht leicht, zwischen den aktuellen Erkältungssymptomen und einer aufkommenden Migräne zu unterscheiden, da sich dabei Kopf- und Gesichtsschmerzen verschiedenster Ursachen überlagern. Vorgestern war es dann mal wieder so weit: Der Druck aus meinen verstopften Nebenhöhlen strahlte zu diesem Zeitpunkt bereits seit Tagen in meine rechte Gesichtshälfte aus und ich hatte mich schlichtweg an die Schmerzen gewöhnt. Die ersten Anzeichen der sich zusammenbrauenden Migräneattacke sind daher schlichtweg untergegangen. Und das hatte fatale Folgen, da für die Wirkung von Akutmedikamenten wie Triptanen gilt: Je früher die Einnahme, desto besser! Ich lag also da, schob die stärker werdenden Kopfschmerzen auf meinen bemitleidenswerten Allgemeinzustand und beschloss, noch mal eine Portion Erkältungssalbe zu inhalieren, um den festsitzenden Schleim zu lösen. Gesagt getan, die ätherischen Öle brachten meine Nase zum Laufen und schon nach fünf Minuten kam ich mit dem Schnäuzen kaum hinterher. Gut für die Erkältung, schlecht für das immer stärker werdende Pochen im Kopf.

Sinusitis-Kopfschmerz vs. Migräne

Dass Migräne mit Schnupfen einhergeht, ist keine Seltenheit. In der Nase sowie in den Nasennebenhöhlen befinden sich zahlreiche sensorische Nerven, die durch anhaltenden Schnupfen gereizt werden und infolgedessen einen Migräneanfall auslösen können. Doch auch abseits von Erkältungen spielen die empfindlichen Nervenenden in der Nase eine wichtige Rolle im Zusammenhang mit Migräne. So haben Ärzt*innen vom Albany Medical Center im US-Bundestaat New York herausgefunden, dass eine lokale Betäubung des Nervenknotens an der Nasenwurzel das Schmerzempfinden von Migränepatient*innen über mehrere Wochen reduzieren kann. Selbst 30 Tage nach der minimalinvasiven Behandlung über eine Nasensonde berichteten die Teilnehmenden der Studie noch immer von einer deutlichen Verbesserung ihrer Kopfschmerzen. Das Beispiel zeigt, wie empfindlich die Nervenenden in der Nase sind. Bedenkt man, dass es sich bei Migräne um eine Reizverarbeitungsstörung im Gehirn handelt, verwundert es nicht, dass ein starker Schnupfen eben jene Nerven so stark beanspruchen kann, dass eine Migräne die Folge ist. Dennoch ist es wichtig, beide Erkrankungen voneinander zu unterscheiden – und das ist selbst für Mediziner*innen gar nicht so leicht. Eine laufende Nase und die damit einhergehende erschwerte Atmung können nämlich auch Migräne-Symptome sein, die auf die Stimulation des Nervensystems zurückgehen. Vor allem in der Erkältungssaison kommt es daher zu zahlreichen Fehldiagnosen. Aufgrund von Kopfschmerzen, einer geschwollenen Nasenschleimhaut oder einem tränenden Auge lautet das vorschnelle Urteil in der Hausarztpraxis oft „Nasenebenhöhlenentzündung“. Dr. Curtis P. Schneider vom Kopfschmerzzentrum in Springfield (Missouri) hat mit seinem Team jedoch herausgefunden, dass eine große Mehrheit der Betroffenen in Wahrheit unter Migräne leidet. Im Rahmen der Studie haben 450 Ärzt*innen rund 3.000 Patient*innen untersucht, deren bisherige Diagnose „chronische Sinusitis“ lautete. Das Ergebnis war erschreckend: 80 Prozent der Teilnehmenden hatten laut der internationalen Kriterien eine Migräneerkrankung.

Dass Migräne mit Schnupfen einhergeht, ist keine Seltenheit. In der Nase sowie in den Nasennebenhöhlen befinden sich zahlreiche sensorische Nerven, die eine Attacke triggern können.

Symptome richtig zuordnen

Die Krux an der Sache ist, dass wir eine Migräne rechtzeitig erkennen müssen, um sie im Akutfall erfolgreich behandeln zu können. Und auch andersherum ist es von Vorteil zu wissen, womit wir es zu tun haben. Denn ein Triptan kann bei einer akuten Sinusitis ebenfalls nichts ausrichten – im schlimmsten Fall muss sogar ein Antibiotikum her. Deshalb ist es wichtig, sich das Zusammenspiel der Symptome im Ernstfall genauer anzuschauen, vor allem die, bei denen es keine Überschneidungen gibt. Eine Nasennebenhöhlenentzündung geht in der Regel mit weiteren Erkältungssymptomen einher, die nicht auf eine Migräne zurückgeführt werden können. Dazu zählen unter anderem gelber oder grüner Ausfluss aus der Nase, ein produktiver Husten sowie eine erhöhte Druckempfindlichkeit rund um die Nase. Außerdem verstärken sich die Kopfschmerzen, wenn man den Kopf nach vorne beugt. Auf eine Migräne weisen hingegen plötzlich stärker werdende Schmerzen hin, die sich typischerweise nur auf eine Seite des Kopfes konzentrieren. Während Erkältungskopfschmerzen oft wie ein „Schraubstock“ beschrieben werden, der sich langsam zuzieht, zeichnet sich Migräne durch ein pulsierendes Stechen aus. Außerdem bringt letztere oft eine ganze Reihe von Begleiterscheinungen mit sich, die bei einer Erkältung nicht auftreten. Dazu zählt vor allem die typische Lärm-, Licht- und Geruchsempfindlichkeit, die oft zu Übelkeit führt. Tja, da sitze ich nun, noch immer komplett verrotzt, müde und abgeschlagen. Denn ich hatte in den vergangenen Tagen definitiv beides: eine fette Erkältung und zwei Migräneattacken on Top. Leider habe ich den ersten Anfall zu spät erkannt und das Triptan nicht mehr früh genug eingenommen. Das Resultat war eine Horrornacht, da die Migräne kein Ende nahm und meine Erkältungssymptome obendrein verstärkt hat. Den Tag darauf habe ich am Ende meiner Kräfte im Bett verbracht. Doch als sich 24 Stunden später die nächste Attacke ankündigte, hatte ich dazugelernt. Sofort erkannte ich das Muster wieder und diesmal war ich schnell genug. Gefahr erkannt, Gefahr gebannt! Geht doch.

Quellen

Diana Ringelsiep

Journalistin, Autorin und Migräne-Patientin

Kolumne: #mittwochsistmigräne

Ich lebe seit über 20 Jahren mit Migräne und habe es mir zur Aufgabe gemacht hat, über die neurologische Erkrankung aufzuklären und Vorurteile abzubauen. Auf dass Betroffene sich weniger einsam und Angehörige weniger hilflos fühlen.

  • Jahrgang 1985
  • Kulturjournalistin, M. A. (2012)
  • Wohnhaft in Essen

www.diana-ringelsiep.de