Spiel mit!
Es tut dir gut
Spielen ist wie auf einer Insel sitzen, jenseits des Alltags, völlig versunken für eine gewisse Zeit. Ein Plädoyer für etwas, das süchtig machen kann, dabei noch unser Gehirn auf Trab hält und für gute Laune sorgt!
Gemeinsam etwas spielen
So wie früher
Noch nie in meinem Leben habe ich so viel gespielt wie in der letzten Zeit! Wann immer ich meine Mutter besuche, legt die 84jährige Patiencen. Meistens solitär, da sie allein lebt. Doch es gibt stets auch ein weiterer Stapel mit weiteren 52 Karten für mich. Auf dem großen Esszimmertisch, daneben eine Flasche Champagner im silbernen Kühler, zwei Gläser dazu. Am liebsten fordert sie mich zur Zankpatience und hat ordentlich Spaß daran, wenn sie mich schikanieren kann.
Jedes spielen ist anders
Anders schön ist es mit meinem fünfjährigen Enkelsohn, wir liegen bäuchlings auf dem weinroten Teppich und spielen Tiermemory. Er liebt es, mich immer wieder herauszufordern, eben weil er immer gewinnt. Es scheint ein Naturgesetz zu sein, dass Erwachsene gegenüber Kindern beim Memory meistens verlieren.
Doch wie ich das alles genieße! Früher war ich gewohnt meine Zeit durchzuplanen und zweckorientiert zu nutzen. Und jetzt? Ist es wunderbar, ab und zu in diesen irren Zustand der Selbstvergessenheit abzutauchen! Ein glückliches Versunkensein im Tun, ohne etwas zu Erschaffen und ohne an ein Was-kommt-dabei-heraus zu denken.
Das klassische Solitär-Kartenspiel wird in der Regel nach dem Patience-Spielprinzip, also von einem Einzelspieler gespielt.
Spielen als Auszeit
Altersgrenzen gibt es nicht
Manchmal genüge ich mir beim Spielen auch selbst. Beim Mah Jongg zum Beispiel, die entsprechende App habe ich auf mein Tablet heruntergeladen. Während ich die Steine paarweise wegklicke, steht mein routierendes Gedankenkarussel still. Das ist wie Kurzurlaub vom geschäftigen Ich.
Als Gamerin nun schaue ich mich neugierig in der U-Bahn um, sehe ich nicht nur junge Mädchen mit blau gefärbten Haaren Casual Games auf ihren Smartphones spielen, sondern beobachte auch graue Lockenköpfe, die gleiches tun.
Egal ob jung oder alt
Spielen, auch wenn man die 60 überschritten hat! Klar, denn die Veranlagung dafür tragen wir in uns und kennen doch die Freude daran, aus unserer Kindheit. Neurowissenschaftler übrigens verorten den Antrieb und die Lust am Spielen im Hirnstamm des Menschen, dem ältesten Teil des Gehirns. Und da unser Gehirn über keine festgezurrte, starre Struktur verfügt, kann es durch neue Reize ein Leben lang stimuliert werden. Dadurch bilden und verbinden sich immerzu Nervenzellen, die uns geistig fit halten. Auch Plastizität genannt, ist dies eine Voraussetzung für jede Form des Lernens. Selbst Memory fördert die Zusammenarbeit der linken und rechten Gehirnhälfte und hält uns mental auf Trapp.
Spielen als sozialer Kitt
Glückshormone inklusive
Abgesehen von Soloaktionen ist Spielen sozialer Kitt. Es bringt Generationen zusammen, stärkt die Bindung zu Familie und Freunden. Wissenschaftler sind sich einig: Hier werden Glückshormone ausgeschüttet! Jedes Spiel setzt mindestens eine kleine Dosis Dopamin frei. Außerdem werden Aspekte „ausgelebt“, die im realen Leben nicht stattfinden können, zum Beispiel bei Monopoly, wo es darum geht, Straßen zu kaufen, Häuser und Hotels zu bauen, Miete zu zahlen, mit dem Ziel, alle Mitspieler in den Bankrott zu treiben.
Bei manchen Spielen tauchen wieder Erinnerungen an die Kindheit auf, wenn „Mensch ärgere dich nicht“, Mühle oder Dame aufbaut werden. Was hat man da früher auch geschummelt! Das war nicht korrekt, aber sehr lustig. Und wie leicht und frei man sich gefühlt hatte, damals. Wie heute!
Flashback Kindheit
„Wir können unsere Phantasie entfalten,“ sagt Quarch, „wie einst, als wir noch Kinder waren und uns die ganze Welt wie ein einziger Spielplatz erschien. Wie es war, als wir uns spielerisch die Welt erschlossen haben. Wie es war, als jeder Käfer und jeder Stein zu Mitspielern wurden, zu dem wir „Du“ sagen konnten. Diese Zeit der Kindheit ist vorbei, aber bei allen guten Spielen schwingt sie nochmals nach. Genau deshalb sind sie Quellen der Lebendigkeit und der Gesundheit.“
Wundervoll verspielt
Kinder fangen an, sich die Welt spielerisch zu erschließen und spielerisch mit Problemen umzugehen. Das ist wichtig, um nicht nur immer die eine Lösung im Kopf zu haben, sondern Alternativen zu denken, erklärt der Psychologe Prof. René Proyer von der Universität Halle-Wittenberg. „Wir sagen ja auch, etwas in Gedanken ‚durchzuspielen‘ oder ein ‚Gedankenspiel‘ machen zu wollen. Spiele können helfen, unseren erlebten Handlungsspielraum zu erweiterten. Spiel als Verhalten und Verspieltheit als Persönlichkeitseigenschaft beim Erwachsenen haben Ähnlichkeiten mit den Erscheinungsformen bei Kindern, zum Beispiel, dass Regeln aus dem ‚normalen Leben‘ nicht notwendigerweise gelten müssen und es einfach Spaß macht.“
Die Silvergamer
Spielen gegen das Vergessen
Das gilt auch für das Digitale. Laut game, dem Verband der deutschen Games-Branche, spielen über fünf Millionen der Ü 60, genauso viele Frauen wie Männer. „Für viele Menschen jenseits der 60 gehört eine virtuelle Runde Skat, eine Aufbausimulation oder ein Kreuzworträtsel heute ebenso zum Alltag wie das Lesen der Tageszeitung oder das Schauen von Nachrichten“, sagt game-Geschäftsführer Felix Falk.
Spiele können helfen
Die Silvergamer rücken zunehmend in den Fokus der Wissenschaft. Game-Designer von der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) in Berlin entwickelten das Online-Spiel „Schiff Ahoi“ und wollten damit herausfinden, ob Daddeln auch gegen Demenz helfen kann. Auf einer virtuellen Kreuzfahrt müssen Spieler Lebensmittel von einem Buffet schnell auf einen Teller ziehen. Gleichzeitig auch Ungenießbares wie Sonnenbrille oder Badelatschen erkennen und dann die Handlung sofort abbrechen. Nach acht Wochen Testphase wurden die über 60jährigen Teilnehmer im MRT untersucht und es zeigte sich, dass bei ihnen das Gehirns im präfrontalen Kortex gewachsen ist. Das war das Ziel. Fazit: Je stärker dieser Bereich durch Spielen wächst, umso besser können bestimmte Aufgaben erledigt werden.
Du entscheidest
Alleine oder zusammen
Auch wenn Mah Jongg am Tablet meine digitale Präverenz ist, mag ich das Face-to-Face und habe seit einigen Wochen eine Doppelkopfrunde mit Freundinnen ins Leben gerufen. Jeden Mittwoch treffen wir uns und stellen fest: Damit hätten wir schon viel früher anfangen sollen! Lachen, prosten uns zu und weiter geht‘s.
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