Junge Erwachsene schauen provokativ in die Kamera. Thema: HPV Junge Erwachsene schauen provokativ in die Kamera. Thema: HPV

Entschlossen gegen HPV

Humane Papillomviren - keine "Mädchensache"

Sie sind so verbreitet, dass sich die meisten Frauen und Männer im Laufe ihres Lebens anstecken – außer sie sind dagegen geimpft. Sechzig bis Achtzig Prozent aller sexuell aktiven Menschen haben sich schon einmal mit Humanen Papillomaviren angesteckt. Hier eine Expertin für euch, die über die Infektion, die Risiken und die Chance der Impfung spricht

Interview: Diana Ringelsiep (Kulturjournalistin, M. A. 2012) mit Dr. med. Katharina van der Grinten

HPV - Infektion erkennen

Über 80 Prozent aller sexuell aktiven Menschen infizieren sich im Laufe ihres Lebens mit HPV. Wie wird die Erkrankung erkannt und inwiefern unterscheiden sich die Symptome bei Frauen und Männern?

In den meisten Fällen wird HPV im Rahmen gynäkologischer Vorsorgeuntersuchungen zuerst bei Frauen nachgewiesen. Zum einen kann ein auffälliger Abstrich der Schleimhäute auf eine Infektion hinweisen, zum anderen gibt es meist auch sichtbare Auffälligkeiten am Gebärmutterhals oder die typische Entwicklung von Feigwarzen im Intimbereich. In solchen Fällen führen wir einen HPV-Test durch, um Gewissheit zu haben. Seit 2020 wird der Pap-Abstich bei Frauen ab 35 Jahren sogar automatisch auf HPV getestet und ist ein fester Bestandteil der Früherkennung. Leider hält sich nach wie vor der Irrglaube, dass es sich bei HPV um eine reine »Frauenkrankheit« handelt – dabei sind Männer genauso häufig betroffen. Auch sie können die Viren beim Geschlechtsverkehr weitergeben und infolge der Infektion an Krebs erkranken. Daher ist es ratsam, auch bei einer Warzenbildung am Penis einen HPV-Test durchführen zu lassen.

HPV - Behandlung und Risiko

Wie sieht die Behandlung bei einer HPV-Infektion aus und muss diese zwingend zu Gebärmutterhals-, Penis-oder Analkrebs führen?

In vielen Fällen schafft es der Körper, die Infektion selbst zu regulieren, sodass das HP-Virus irgendwann nicht mehr nachweisbar ist. Eine gezielte Behandlung gibt es leider nicht. Einige Tinkturen können zwar zu einer Schälung der betroffenen Hautstellen führen und so die Virenlast verringern, doch es existieren keine Medikamente, die eine HPV-Infektion heilen können. Gefährlich wird es, wenn das Virus über längere Zeit im Körper verweilt, denn dann kann es großen Schaden anrichten und zu einem Karzinom führen. Diese bösartigen Gewebeveränderungen können nicht nur am Gebärmutterhals auftreten, sondern überall dort, wo eine Virenübertragung durch Schleimhautkontakt stattgefunden hat – also auch am Anus, am Penis, an den Schamlippen sowie im Mund- und Rachenraum.  Aus diesem Grund bieten selbst Kondome keinen vollständigen Schutz vor einer HPV-Übertragung. Sie senken zwar das Infektionsrisiko über den Penis, doch die Viren können natürlich auch durch Berührungen von Hoden und Schamlippen oder beim Oralverkehr übertragen werden. Auch sogenannte Lecktücher, die beim Oralverkehr über die Genitalien oder den Anus gelegt werden, um den Austausch von Körperflüssigkeiten zu verhindern, reduzieren das Ansteckungsrisiko – bieten jedoch ebenfalls keine 100-prozentige Sicherheit.

HPV - Impfung für alle Geschlechter

Die STIKO empfiehlt die Impfung gegen HPV für alle Geschlechter im Alter von 9-14 Jahren. Aber wie sieht es mit Erwachsenen aus, macht eine Impfung auch mit 30 oder 40 noch Sinn?

Auf jeden Fall! Der beste Schutz besteht, wenn die Impfung noch vor dem ersten sexuellen Kontakt erfolgt, doch auch danach kann sie noch sinnvoll sein. Mittlerweile sind mehr als 200 HPV-Typen bekannt. Das heißt, selbst wenn eine Person zum Beispiel bereits mit zwei Virusarten in Kontakt gekommen ist, kann die Impfung immer noch Schutz vor den anderen Typen bieten. Dabei verhält es sich ähnlich wie mit der Corona-Impfung: Eine Infektion ist trotz Impfung möglich, doch das Virus kann in einem geimpften Körper weniger Schaden anrichten. Ich empfehle daher allen Menschen – unabhängig ihres Geschlechts – sich gegen HPV impfen zu lassen. Leider ist die Impfbereitschaft, insbesondere bei Jungen und Männern, noch immer gering. Viele fühlen sich schlichtweg nicht angesprochen, da oft von einer »Gebärmutterhalskrebs-Impfung« die Rede ist. Das ist irreführend, da die Impfung nicht nur Frauen schützt: Ein geimpfter Junge oder Mann kann das Virus schließlich nicht weitergeben und senkt zudem sein eigenes Krebsrisiko. In diesem Bereich ist noch viel Aufklärung nötig. Ich habe beispielsweise meinen 12-jährigen Sohn vor der Kamera gegen HPV geimpft, um bei Instagram auf das Thema aufmerksam zu machen. Die Resonanz war durchweg positiv. Bitte beachten, dass die Impfung, die in zwei oder drei Dosen erfolgt, nur bis zum 18. Lebensjahr von der Krankenkasse übernommen wird. Ältere Personen müssen die Kosten selbst tragen.

HPV - Schlummernde Infektion

Gerade für Menschen in langjährigen monogamen Beziehungen ist eine HPV-Diagnose oft ein Schock, da sie fürchten, dass ihr Partner oder ihre Partnerin fremdgegangen ist. Warum ist das häufig ein Trugschluss??

Angenommen, ich habe eine 35-jährige Patientin, die noch nie auf HPV getestet wurde, weil es bisher keine Auffälligkeiten gab. Sie zeigt auch jetzt keine Symptome, doch da ein HPV-Test ab diesem Alter zur Vorsorge gehört, wird er nun erstmals durchgeführt – und das Ergebnis ist positiv. Der Test verrät uns dann zwar, dass sie infiziert ist, aber nicht, wann die Infektion stattgefunden hat. Sie könnte den Virus bereits zehn Jahren in sich tragen. Vielleicht hat es sich erst kürzlich zu vermehren begonnen und war bis dahin gar nicht nachweisbar. Eine HPV-Infektion kann sich erst viele Jahre nach der Übertragung erstmals bemerkbar machen oder zufällig entdeckt werden. Die Diagnose bedeutet also nicht automatisch, dass jemand untreu war. Wichtig ist jedoch, dass die Betroffenen engmaschiger untersucht werden, um mögliche Gewebeveränderungen rechtzeitig zu erkennen und handeln zu können. Deshalb überweise ich meine wiederholt positiv getesteten Patientinnen regelmäßig in die Proktologie zur Kontrolle des Enddarms, da auch Rektumkarzinome infolge einer HPV keine Seltenheit sind. HPV ist eine der häufigsten sexuell übertragbaren Infektionen – und doch gibt es noch immer viele Missverständnisse und Fehlinformationen. Die gute Nachricht ist jedoch: Mit regelmäßiger Vorsorge und der HPV-Impfung lässt sich das Risiko für ernsthafte Erkrankungen deutlich senken. Es ist Zeit, die Impfung nicht mehr nur als »Mädchensache« zu sehen, sondern als wichtigen Schutz für alle – also auch Jungen und Männer.

Hinweis der Redaktion: die novitas bkk übernimmt die HPV-Impfung bis zum 25. Lebensjahr

Mehr dazu findest du hier: https://info.novitas-bkk.de/ratgeber/impfungen/impfungen-kinder/hpv/

doktor.katharina

 

Dr. med. Katharina van der Grinten, Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. In ihrem Instagram Kanal, @doktor.katharina, klärt sie über spannende Frauenthemen auf