Angst vor Löchern

Ekel vor dem neuen Handy

Eigentlich hat sich Rachel auf ihr neues iPhone 11 gefreut. Aber wenn sie es jetzt in den Händen hält und umdreht, überkommt sie Ekel und sie spürt, wie ihre Hände schwitzen. Was für die meisten Menschen einfach nur die drei integrierten Kameras sind, sieht für Rachel aus wie eine Anordnung von Löchern. Und genau davor hat sie Angst, denn: Rachel leidet unter Trypophobie.

Die unbekannte Angststörung

Trypophobie

Trypophobie ist bestimmt nicht so neu wie das iPhone 11, aber bisher haben nur wenige diesen Begriff gehört. Durch das Handy erzählen jetzt im Internet aber immer mehr Betroffene von ihren Problemen und so bekommt die Phobie mehr Rampenlicht. Aber wer unter Trypophobie leidet, der hat natürlich nicht nur Angst vor seinem Handy, sondern auch vor ganz natürlichen Objekten mit kleinen Löchern. Das kann zum Beispiel das T-Shirt sein, das nach dem Waschen ungleichmäßige Löcher bekommen hat, Bienenwaben oder die kleinen Einkerbungen auf Erdbeeren. Die „Trigger“, also die Auslöser von Angst, Panik und Ekel bei Trypophobie, sind unglaublich vielseitig. Und manchmal sind es nicht nur Löcher, sondern auch Risse, die Symptome auslösen. Zum Beispiel Risse in der Hauswand oder im Lehmboden.

Übrigens: Noch ist die Angst vor Löchern nicht ärztlich anerkannt und wird allenfalls als Angststörung klassifiziert. An dem Leidensdruck von Menschen mit Trypophobie ändert das aber nichts.

Die Angst vor Löchern ist vielen noch nicht bekannt. Aber Betroffene leiden unter ihrer Phobie.

Trypophobie

Die Angst vor Löchern

Mit Angst und Ekel durch den Alltag

Stell dir vor, du bist auf dem Weg zur Schule oder zur Arbeit und plötzlich kommst du an einem Baum mit vielen Astlöchern vorbei. Wenn du ein Trypophobiker oder eine Trypophobikerin bist, dann wird dir jetzt vermutlich schlecht, vielleicht sogar schwindelig. Dein Herz beginnt zu rasen, deine Atmung beschleunigt sich und du willst eigentlich nur noch weg. Diese Stressreaktion bei Panik heißt auch „fight or flight“-Reaktion. Um dein Leben zu schützen, richtet sich dein ganzer Körper darauf ein, entweder gegen die Gefahr zu kämpfen oder vor ihr davonzurennen. Das Gefühlszentrum im Gehirn, die Amygdala, übernimmt das Steuer, alle anderen Hirnareale laufen jetzt auf Sparflamme. Deswegen bringt es meistens auch nichts, wenn du einem Phobiker oder einer Phobikerin sagst, dass keine Gefahr droht. Phobien sind irrational und rationale Argumente ändern daran nichts.

Bei einer sehr starken Phobie wird sich aber für dich etwas verändern. Vielleicht nimmst du zukünftig aus Angst einen anderen Arbeits- und Schulweg, nur um nicht mehr an diesem Baum mit den Löchern vorbei zu müssen. Auch dann, wenn der neue Weg mindestens zehn Minuten länger ist. Denn bei sehr starken Phobien bestimmen diese deinen Alltag.

Warum gibt es Phobien?

Angst kann manchmal ganz schön nerven. Besonders dann, wenn wir sie eigentlich nicht wollen. Oft hat Angst jedoch einen wichtigen Nutzen und kann unser Leben schützen. Sicher hast du schon von vielen Phobien gehört, die deutlich bekannter sind als die Trypophobie. Wir haben ein paar Beispiele für dich zusammengestellt und sagen dir, wieso sie aus Sicht der Evolution gar nicht so verkehrt sind:

  • Akrophobie: Bei der Höhenangst haben Menschen, wie der Name es verrät, Angst vor großer Höhe. Das ist im Alltag zwar lästig, wenn wir auf eine Leiter steigen wollen oder gerade eine Ausbildung zum Fensterputzer machen, aus Sicht der Evolution schützt es aber unser Leben. Wer große Höhen meidet, wird vermutlich auch nicht in die Tiefe stürzen.
  • Arachnophobie: Die Angst vor Spinnen ist weit verbreitet. Und obwohl die unbeliebten Achtbeiner einen wichtigen Nutzen in der Natur haben, hat auch die Furcht einen sinnvollen Ursprung. In Ländern, in denen es mehr Giftspinnen gibt, deren Biss teilweise lebensbedrohlich ist, kann zumindest etwas mehr Respekt nicht verkehrt sein.
  • Agoraphobie: Dieser Begriff meint die Angst vor großen, weiten Flächen. Sie wird auch oft als Platzangst bezeichnet, ist dadurch aber oft irreführend und es kommt schnell zu Verwechslungen mit der Klaustrophobie. Vermutlich soll uns die Angst vor großen, weiten Flächen davor schützen, die Orientierung zu verlieren. Außerdem bieten offene Flächen meistens nur wenig Deckung. Für unsere Vorfahren war das schlecht, wenn gerade ein Säbelzahntiger hinter ihnen her war.
  • Klaustrophobie: Menschen mit dieser Phobie haben Angst vor engen, geschlossenen Räumen. Im heutigen Alltag meiden sie zum Beispiel Fahrstühle, in früheren Zeiten sind sie bestimmt nicht in eine zu enge Höhle gekrochen. Aus Sicht der Evolution also ziemlich schlau.

Wenn die Panik deinen Alltag bestimmt

Bei der Trypophobie gehen Wissenschaftler übrigens davon aus, dass die Angst vor Löchern den Menschen vor offenen Wunden oder Parasitenbefall warnen soll und er sich dadurch auch selbst nicht infiziert. Phobien haben also einen natürlichen Ursprung und ein bisschen Angst ist gesund.

Nicht der Angst das Ruder überlassen

Wenn die Panik jedoch deinen Alltag bestimmt und dich in deinem Leben einschränkt, solltest du dir psychotherapeutische Hilfe holen. Denn die gute Nachricht: Phobien und Angststörungen sind gut behandelbar und auch Rachel denkt jetzt über eine Therapie nach. Fürs Erste hat sie sich aber für ein anderes Smartphone entschieden, das ihren Ekel nicht auslöst.

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