Prokrastination

Ungesundes Aufschieben

Mein Name ist Lisa, ich bin 30 Jahre alt und eins der Gesichter hinter diesem Blog. Als ich im Team-Meeting hörte, dass es einen Blogbeitrag zu „Aufschieberitis“ geben sollte, wurde ich sofort hellhörig und meldete mich freiwillig, diesen zu schreiben. Ich erkannte mich sofort wieder, schließlich war ich Zeit meines Lebens äußerst erfolgreich im Aufschieben jedweder Art gewesen.

Nicht faul, sondern krank

Wenn die Prüfung näher rückte, die Abgabefrist verstrich oder die Steuererklärung gemacht werden musste, war meine Wohnung auf einmal besonders sauber, ich entdeckte meine Leidenschaft für die Herstellung selbstgemachter Kosmetika und buk mein Brot selbst. Schon als Kind sagte meine Mutter zu mir, ich leide unter „Aufschieberitis“ und ich solle mich mal aufraffen und besser organisieren. Als ich später Psychologie studierte, lernte ich dieses Phänomen unter einem anderen Namen kennen: Prokrastination. Ich war ganz Ohr. Prokrastination, das klang nach etwas Wichtigem und nicht nach einer faulen Angewohnheit. Vielleicht war ich nicht faul, sondern krank?

Prokrastination kann ein solches Ausmaß annehmen, dass extreme Folgen drohen, z. B. der Abbruch einer Ausbildung oder ein berufliches Scheitern.

Aufschieberitis – das akademische Viertel

Ich besorgte mir Bücher aus der Bibliothek und las mich ein. Unter Prokrastination versteht man das Aufschieben von dringenden und notwendigen Aufgaben. Stattdessen werden andere Tätigkeiten erledigt, welche im Vergleich angenehmer erscheinen oder eine direkte Belohnung ermöglichen. Für das Aufschieben finden Personen typischerweise Entschuldigungen. Ich fühlte mich ertappt. Anscheinend ist ein ausgiebiger Wohnungsputz bei drohender Deadline ein Musterbeispiel für Prokrastination.

Ich las weiter und stellte fest, dass sich das Vorurteil des „faulen Studenten“ auch in der Fachliteratur festgesetzt hatte, denn es gibt nur Zahlen zu Häufigkeiten bei Studierenden. Bis zu 75 % der Studierenden sagen von sich selbst, dass sie prokrastinieren und 50 % gaben an, dass dies ihr Studium negativ beeinflusst hätte.

Ich schien mit meinem Problem wohl nicht alleine zu sein. Aber wenn so viele Menschen prokrastinieren, ist dann die halbe deutsche Bevölkerung krank?

Wann sollte man sich Hilfe holen?

Diesbezüglich kann ich Entwarnung geben. Sporadisches Aufschieben ist ein normales Verhalten und weit verbreitet. Problematisch werde das Aufschieben erst, wenn es für Betroffene relevantes Leiden erzeugt und sich tatsächliche Konsequenzen ergeben, wie berufliche oder finanzielle Probleme. Dann sollte man sich Hilfe bei einem Psychotherapeuten holen. Prokrastination ist nach aktuellen Diagnosemanualen noch nicht als psychische Erkrankung anerkannt, nichtsdestotrotz handelt es sich um eine Störung der Selbststeuerung – und die ist behandelbar!

Wichtig ist, sich frühzeitig um einen Therapieplatz zu kümmern und die Behandlung – und das sollte für Betroffene wohl die Schwierigkeit sein – nicht zu lange aufzuschieben.

Nicht faul, sondern krank

Prokrastination hat übrigens nichts mit Faulheit zu tun. Faulheit bedeutet, nichts zu tun, Prokrastination ist ein aktiver Prozess: Wir schieben wichtige Dinge vor uns her, um stattdessen profane Dinge zu erledigen. Die wenigsten Menschen würden Putzen wohl als ihre Leidenschaft beschreiben und es freiwillig tun, wenn die Alternative nicht noch viel unliebsamer erschiene.

Prokastination und gute Organisation

Ich zog ein Resümee. Ich hatte bis jetzt noch keine wichtigen Termine wegen meiner „Aufschieberitis“ verpasst, alle Aufgaben rechtzeitig erledigt und auch mein Studium mit guten Noten abgeschlossen. Manchmal ärgerte ich mich über mich selbst, aber wirklich leiden tat ich auch nicht. Ich musste wohl nicht gleich morgen zum Psychologen, aber etwas tun wollte ich trotzdem. Ich überlegte, wie ich mir dabei helfen könnte, mich besser zu organisieren und Dinge nicht immer auf den letzten Drücker zu erledigen.

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